Mittwoch, 19. November 2008

Schichteinblicke

8.23 Uhr: Der RTW ist gecheckt und wir sitzen beim Frühstück als uns die Leitstelle zu einer "nicht ansprechbaren Person" alarmiert. Der Kollege tippt unterwegs auf "Ex", ich halte ein "Nach Synkope wieder ansprechbar" dagegen. Der Kollege sollte Recht behalten... Naja mit 84 Jahren kann das schonmal passieren, dass man morgens "etwas länger liegenbleibt".

9.02 Uhr: Wir melden uns gerade vom ersten Einsatz wieder einsatzklar, als wir nahezu an das andere Ende des Rettungsdienstbereichs alarmiert werden.

Ich hasse es Autobahnbaustellen mit verengten Fahrstreifen alarmmäßig zu befahren, das ist mir privat stets ein Greuel, im Einsatz stehe ich dabei kurz vor´m Herzkasper. Das einzige was mich dabei aufrecht erhält ist der Gedanke: "Wenn Du jetzt ´nen Unfall baust, zahlt Papa Staat für Dich".

Nach etwa 20 Minuten eingetroffen, stellt sich der gemeldete "Kreislauf" als Arbeiter heraus der einen Stromschlag erhalten hat. Niederspannung, dem Mann geht´s blendend, zur Kontrolle geht´s in ein nahegelegenes Krankenhaus. Wir sind dort seltener zu Gast und angenehm überrascht, als der Patient tatsächlich zuerst untersucht und dann nach seiner Krankenkassen-Karte gefragt wird. Das nette und auch noch nett anzusehende KH-Personal besorgt uns gänzlich selbstständig einen korrekt ausgefüllten T-Schein. Irgendwie etwas erstaunlich, dass so etwas schon positiv auffällt.


Nach Rückkehr zur Wache komme ich endlich zum Frühstücken.

14.03 Uhr: Eine von mir fachlich und persönlich sehr geschätzte Kollegin ist auf der Wache, wir verschwätzten uns etwas über dieses und jenes als der Melder uns zu einem "Treppensturz" ruft. Es geht zu einem durchaus namhaften Konzern der eine Dependance in unserem Einsatzgebiet betreibt.

Dort eingetroffen werden wir zu einer Dame geführt, die offenbar einige Stufen mit dem Gesäß gebremst hat und nunmehr über Schmerzen im Steiß klagt. Das ist aber nun auch alles was sich bei eingehender Untersuchung findet.

Zunächst hatte ich noch Zweifel, ob die Dame benommen ist oder psychisch geschockt ist. Sie antwortet auf sämtliche Fragen sehr einsilbig, nimmt beim Sprechen keinen Blickkontakt auf und wenn doch mal ein ganzer Satz aus ihrem Mund kommt, ist der Tonfall äußerst schnippisch.

Auch ist im übrigen in ihrem Verhalten etwas, ähm, merkwürdig. Allerdings redet sie zwischendurch mit ihrem Kollegen gänzlich normal und so verbuche ich Ihr Verhalten als ausgeprägte Form von Arroganz und Blasiertheit.

Das wiederum erstaunt mich etwas, denn eigentlich sind die Mitarbeiter dieses Unternehmens -soweit ich das bisher bei vorherigen Einsätzen beobachten konnte- sehr freundlich und ebenso kooperativ, untereinander ebenso wie zu uns. Die Dame passt da so gar nicht in´s Bild.

Ich bin dankenswerter Weise bei diesem Einsatz der "Maschinist" und revanchiere mich für Ihr dummes Verhalten mit meinem Fahrstil beim Transport in das Krankenhaus. Ja, das ist unprofessionell.

Bei der Übergabe im Krankenhaus folgt dann das übliche Prozedere für die Berufsgenossenschaft, also Frage nach Arbeitgeber, Arbeitszeit etc. Bei der Frage nach Ihrer Tätigkeit wird Madame dann auf einmal etwas kleinlaut und gibt "Reinigungskraft" an.

Ich lache laut in mich hinein und schäme mich etwas für meinen Fahrstil.

16.32 Uhr: Suizid! Auf der Anfahrt setzt der Kollege auf weiblich, Tabletten. Ich setzte männlich, Schusswaffe oder Strick dagegen. Wir lagen beide falsch. Männlich, Tabletten. Und wir wären beinahe wieder gefahren, da uns der Suizident höchstpersönlich die Tür öffnete und uns glaubhaft versicherte, ihm ginge es blendend. Nach Eintreffen der Ordnungsmacht und unseres medizinischen Akademikers hatten wir dann aber doch recht rasch raus, dass wir richtig waren.

Nach einer heiteren Diskussionsrunde, es hätte eigentlich nur noch der Fenchel-Tee gefehlt, begleitet uns der Herr freiwillig in´s Krankenhaus.


18.07 Uhr: Mit geringfügiger Verspätung genieße ich den Feierabend.

Keine Kommentare: