Mittwoch, 6. August 2008

Herr Öbuv

In diversen auf Jurablogs.de gelisteten Blogs lästern diverse Kollegen gerade über schwache Sachverständigen-Gutachten in Prozessen. Nunja ich konnte das bis gerade nicht ganz nachvollziehen, bis gerade...

Das Vorspiel:
Der Mandant (Kläger) hat eine Pumpe gekauft, die nach ca. 1 Jahr den Geist aufgab, der Motor tat es nicht mehr. Da sich der Pumpenverkäufer (Beklagter) weigert für irgendwas einzustehen, erheben wir Klage.

Da der Gegner im Prozess u.a. den Defekt der Pumpe bestreitet, wird ein Sachverständiger beauftragt, sich das gute Teil mal anzusehen (§ 402 ff. ZPO).

Das Gericht wählt einen Sachverständigen aus. Augenscheinlich gar keine schlechte Wahl denn der Mensch, nennen wir ihn mal "Herr Öbuv", ist immerhin Diplom-Ingenieur ("worin eigentlich?" sollte ich mich später noch fragen), von der Handwerkskammer öffentlich bestellt und vereidigt, sowie Mitglied einer internationalen Sachverständigen-Organisation.

Am 28.12.2007 erteilt das Gericht Herrn Öbuv den Auftrag ein entsprechendes Gutachten zu erstatten. Natürlich nicht, ohne vorher vom Kläger einen Vorschuss von 600,- € für das Gutachten kassiert zu haben. Immerhin wird am Gericht offenbar auch "zwischen den Jahren" gearbeitet, das muss man ja auch mal lobend erwähnen.

6.2.2008: Herr Öbuv schreibt an das Gericht und die Parteien. Die gesetzliche Vergütung von 70,-€ pro Stunde (§ 9 JVEG) für die Gutachten-Erstellung reiche ihm nicht. Er bittet, sein Honorar auf 105,- € pro Stunde zu erhöhen. Schließlich müsse er von der Erstellung von Gutachten leben (ein Höllenjob!) und außerdem würde er für privat beauftragte Gutachten auch mehr nehmen.

28.2.2008: Beide Parteien lehnen das Ansinnen höflich aber bestimmt ab, was das Gericht Herrn Öbuv mitteilt.

18.4.2008: Anscheinend nach einer gewissen Schmollphase entscheidet sich Herr Öbuv, das Gutachten dennoch zu erstatten und lädt zur kollektiven Pumpenbesichtigung zwei Monate später. Klar, da ist Sommer und es lässt sich viel netter die Pumpe begucken.

4.5.2008: Möglicherweise durch hellseherische Fähigkeiten (sicher nützlich als Gutachter) erkennt Herr Öbuv das schlechte Wetter Anfang Juni. Naja jedenfalls verschiebt er den Ortstermin nochmal um zwei Wochen nach hinten.

2.7.2008: High noon! Herr Öbuv besichtigt die beim Mandanten stehende Pumpe. Der Gegner ist nicht erschienen, und so wird das eher ein lustiger Kaffee-Klatsch.

15.9.2008: Möglicherweise durch das einsetzende, triste Herbstwetter gelangweilt, setzt sich Herr Öbuv daran, seine Erkenntnisse zu verschriftlichen. Schon eine Woche später liegt das Gutachten vor. Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend:


Das kolossale Werk weist insgesamt 5 Seiten (fünf! inklusiv Deckblatt!!) auf, von denen 2 noch mit halbseitigen Fotos bedruckt sind. Nebenbei, von den 4 Fotos die im Text des Gutachtens genannt sind, liegen nur 3 vor.

Aber egal, denn schließlich zählt der Inhalt. Der ist beeindruckend, und da Herr Öbuv die Seiten mit beidseitigem Riesenrand und offenbar 2,5-zeiliger Zeilenabstand beschriftet, gebe ich hier mal rasch das Gutachten wieder:

zu 1: Welche Schäden befinden sich an der Pumpe Blue Balou 600?
Eine Funktion des Motors konnte nicht festgestellt werden. Der Schaden an der
Pumpe besteht somit darin, dass der Motor nicht funktionsfähig, also defekt, ist.

Wer nun ob dieser gewagten Feststellung etwas erstaunt ist, sei gesagt: Es wird noch besser!

zu 2: Wie hoch sind die Kosten zur Reparatur der Pumpe?
Der Kläger hat einen neuen Motor zu 110,- €. erworben. Die Kosten zur Reparatur betragen somit 110,- €.


Soweit die Feststellungen des Gutachtens. Das einzige was ich jetzt gekürzt habe, war die Beschreibung der Pumpe, 5 Zeilen Sachverhaltsschilderung die aus der Klage abgeschrieben waren und der „Unterschriftenblock“.

Ganz nebenbei bemerkt hat Herr Öbuv leider bei Punkt 2 noch übersehen, dass auf der Rechnung die Mehrwertsteuer separat ausgewiesen war, die Sachkosten der Reparatur also schonmal 19% höher waren.

Dafür hat Herr Öbuv gleich seine -formal wohl völlig richtige- Liquidation beigefügt:

Zeitaufwand 3 Stunden x 70,-€

für Besichtigung und Erstattung des Gutachtens 210,-

Fahrtkosten 36 km x 0,30 € 10,80 €

Ausdrucke des Gutachtens 15 x 0,50 € 7,50 €


Fotos, 3 Erstausdrucke x 2,00 € 6,00 €

6 weitere Ausdrucke x 0,50 € 3,00 €


Schreibkosten 4 x 0,75 € 3,00 €


Mehrwertsteuer 45,66 €


Gesamt 285,96 €


und dass für ein Gutachten, wofür er über ein halbes Jahr gebraucht hat und das jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch auch hätte erstatten können, nur billiger, schneller und wohl auch besser.

Im nächsten Leben werde ich Pumpensachverständiger....

2 Kommentare:

Fischkopp hat gesagt…

Wer angibt, vom Erstellen derartiger Gutachten leben zu müssen, dann aber scheinbar mit knapp 260 Euro im Halbjahr über die Runden kommt, ist "Sachverständiger in Lebenskunst". Ich fürchte, als Pumpensachverständiger wirst Du da im nächsten Leben nicht viel weiterkommen.

Aber sehe ich das richtig, daß der Beklagte Kosten in Höhe von ca. 130 Euro für die Pumpe zzgl. ca. 260 Euro für das Gutachten zzgl. Gerichts- und Anwaltskosten hätte abwenden können durch die Zahlung von ca. 130 Euro für die Reparatur? Oder läuft das Verfahren noch und der Beklagte führt jetzt als nächstes an, daß der Schaden vom Kläger selbst verursacht wurde - durch unsachgemäße und damit gewährleistungsausschließende Manipulation am Gerät (was im übrigen durch ein weiteres Gutachten zu belegen wäre, denn Herr Öguv hat da ja nichts weiter zu ausgesagt...)?

Kollege S. hat gesagt…

fischkopp schrieb:
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Oder läuft das Verfahren noch und der Beklagte führt jetzt als nächstes an, daß der Schaden vom Kläger selbst verursacht wurde - durch unsachgemäße und damit gewährleistungsausschließende Manipulation am Gerät (was im übrigen durch ein weiteres Gutachten zu belegen wäre, denn Herr Öguv hat da ja nichts weiter zu ausgesagt...)?
===

Bingo!