Montag, 11. Juni 2012

Azubi-Tage bei der Staatsanwaltschaft

Das könnte jetzt auch Teil 2 der Serie "if you pay peanuts, you get monkeys" werden.

Mein Mandant hatte einen Verkehrsunfall, er ist mit seinem Pkw, einfach gesagt aus eigener Dummheit, gegen einen Baum gefahren. Weitere Beteiligte, wenn man vom Baum absieht, gibt es nicht.

Heute reicht mir der Mandant ein Schreiben der Staatsanwaltschaft herein. Amtsanwältin Brömmelkamp teilt mit, sie habe das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Wohl gemerkt, das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Ich schüttele leicht ungläubig den Kopf, denn um eine Körperverletzung zu begehen, muss man stets einen anderen Menschen verletzen. Ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen meinen Mandanten einzuleiten, wenn er der einzige Verletzte seines eigenen Unfalls ist, ist also eher, ähmm, totaler Quatsch.

Am Nachmittag bin ich bei einem Kollegen. Der Kollege ist diese Woche in Urlaub und hat mich gebeten, mal bei ihm reinzuschauen und die Posteingänge im Blick zu halten.

Auch dort hatte ein Mandant einen Unfall. Er ist, wiederum alleine, mit seinem Auto in den Graben gefahren und hat sich dabei verletzt.

Es schreibt wiederum Amtsanwältin Brömmelkamp und hat die erfreuliche Nachricht, dass sie das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Mandanten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat.

Jetzt frage ich mich gerade, ob bei Amtsanwältin Brömmelkamp a) die Software Amok gelaufen ist, b) der Azubi mal lustig drauflos klicken durfte, c) Frau Brömmelkamp einfach § 229 StGB falsch verstanden hat oder d) die gute Frau noch ein paar Fallzahlen für ihre Statistik brauchte.

Letzteres wäre hinsichtlich § 344 StGB interessant.

Mittwoch, 30. Mai 2012

If you pay peanuts...

... you get monkeys. Das sagt zumindest ein englischer Sprichwort.

Die spannende Frage ist, was (oder mit was) muss ich bezahlen, um Schnecken zu bekommen?

Die Grosskanzlei einen Ort weiter hat dem Landgericht "per Boten" einen Schriftsatz übermittelt. Nun muss man wissen, dass das Landgericht von der Kanzlei maximal 10 Minuten zu Fuss entfernt ist.

Der Schriftsatz datiert vom 7. Mai und geht, mit ebenjenem Boten, am 11. Mai beim Gericht ein. Respekt!


Mittwoch, 28. März 2012

Telefonnotizen

Ich habe hier gerade allen Ernstes notiert:

"1 kg Amphetamin = 35,-€"

Eines Tages wird jemand unbedacht auf meinen Schreibtisch gucken, die Telefonnotizen lesen, und schwupps bin ich im Knast...

Mittwoch, 14. März 2012

Falsa demonstratio nocet

Es gibt so Tage, an denen ich an meinen juristischen Fähigkeiten zweifele. Zum Beispiel heute, als ich zwei Antworten auf dem Portal "frag-einen-anwalt.de" las.

Hier erklärt eine Anwältin, die immerhin Strafrecht zu ihren ausgewiesenenTätigkeitsfeldern zählt, man müsse einer Vorladung zur Polizei Folge leisten.

Hmmm...

Nein.

Dafür gibt es nämlich einmal mehr keine Grundlage in der Strafprozessordnung. Völlig egal, ob man Zeuge oder Beschuldigter ist.

§ 161a Strafprozessordnung

(1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. [...]

Wir erkennen einmal mehr mit textsicherer einfacher Wortlautauslegung: Die Polizei ist nicht die Staatsanwaltschaft und deswegen muss dort auch niemand (in einem Strafverfahren) eine Aussage machen.

Wieso nun die Kollegin für doch ein bißchen Geld öffentlich etwas anderes, schlicht falsches, erzählt, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.


Etwas kompliziertes ist schon Fall 2:

Der Fragesteller schildert, wiederum auf "frag-einen-anwalt.de" einen Fall möglicher anwaltlicher Pflichtverletzung und fragt nach seinen Schadensersatzansprüchen.

Der Anwalt antwortet unter anderem:

Zum einen müssen Sie zunächst einmal das Verschulden der Kanzlei S beweisen. Dies allein könnte schon durchaus problematisch sein, wenn sich diese erfolgreich darauf beruft, dass es sich bei dieser Fristsäumnis um ein einmaliges Versagen einer ansonsten immer zuverlässigen Angestellten handelt (sogenannte Exculpation).



Ähm, eher nicht.

Zwischen dem Fragesteller und der Kanzlei S besteht nämlich ein Vertragsverhältnis. Und dann gilt § 278 Bürgerliches Gesetzbuch:

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Die "Exculpation" ist dagegen in § 831 BGB geregelt:

1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Sie gilt nur ausserhalb von Vertragverhältnissen.


Wenn also der Bäckerazubi morgens mit dem Lieferwagen beim Brötchen-Ausfahren einen fremden Fußgänger umfährt, kann sich der Meister auf § 831 Abs. 1 Satz 2 ff. BGB berufen, sofern er seinen Azubi sorgfältig ausgewählt und überwacht hat. Denn der Azubi ist zwar für den Meister zur "Ausführung der Verrichtung" bestellt, der fremde Fußgänger ist aber "nur" Dritter im Sinne des Gesetzes.

Fährt der Azubi aber einen Kunden um, haftet der Meister aus § 278 Abs. 1 BGB, weil zwischen dem Kunden und dem Bäckermeister ein Vertrag bestand und der Meister dann "Schuldner" und der Azubi eine "Person, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient" ist.

Eigentlich ganz einfach, oder? Nein, nicht ernstlich, aber mit zwei juristischen Staatexamen in der Tasche sollte man das schon drauf haben.

Mir ist nun nur nicht ganz klar, wieso gestandene Rechtsanwälte auf "frag-einen-anwalt.de" Fragen öffentlich (!) und entgeltlich (!) falsch beantworten, die eigentlich ein Jurastudent im dritten Semster aus dem eff-eff beherschen müßte. Das es im Fall 2 gerade um eine Frage wegen der Haftung eines Rechtsanwaltes geht, gibt dem Ganzen noch einen zusätzlichen Kick.


Oh, oh, kurz vor sieben. Jetzt aber wacker die letzte Akte vom Schreibtisch schaffen...


Montag, 27. Februar 2012

Heldin der Arbeit

Ich habe gerade die vor kurzem wieder aufgetauchte "Heldin im Chaos" meiner Blogroll hinzugefügt. Sehr lesenswert!

Freitag, 17. Februar 2012

Aus gegebenem Anlass

§ 576 Bürgerliches Gesetzbuch
Fristen der ordentlichen Kündigung bei Werkmietwohnungen

(1) Ist Wohnraum mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses vermietet, so kann der Vermieter
nach Beendigung des Dienstverhältnisses abweichend von § 573c Abs. 1 Satz 2 mit folgenden Fristen kündigen:

1. bei Wohnraum, der dem Mieter weniger als zehn Jahre überlassen war, spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats, wenn der Wohnraum für einen anderen zur Dienstleistung Verpflichteten benötigt wird;
2. spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf dieses Monats, wenn das Dienstverhältnis seiner Art nach die Überlassung von Wohnraum erfordert hat, der in unmittelbarer Beziehung oder Nähe zur Arbeitsstätte steht, und der Wohnraum aus dem gleichen Grund für einen anderen zur Dienstleistung
Verpflichteten benötigt wird.

(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Sonntag, 5. Februar 2012

FAZ findet vermeintliche Ermittlungspannen

Die FAZ berichtet über die Ermittlungen gegen das NSU-Trio und deckt dabei (vermeintliche) Fehler auf. Das die Ermittlungen insgesamt optimierbar waren, dürfte klar sein. Nachträglich muss man sich schon fragen, wie man bei einer Serie von 9 Morden an Menschen mit ausländischem Hintergrund ernsthaft davon ausgehen konnte, es liege kein rechtsextremistischer Hintergrund vor.

Die FAZ, allgemein als Qualitätspresse angesehen, zeigt aber leider in diesem Artikel (einmal mehr) mangelhaften juristischen Sachverstand.

Warum wurde der Hauptverdächtige, Böhnhardt, nicht festgehalten, bis die Durchsuchungen abgeschlossen waren?

Das könnte jetzt ganz simpel daran liegen, dass es dazu einfach keine rechtliche Grundlage gab. "Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände darf der Durchsuchung beiwohnen." sagt § 106 Strafprozessordnung. Eine simple Wortlautauslegung verrät uns dann, dass "darf" nicht "muss" bedeutet. Wenn also morgens um 6.01 Uhr die Polizei klingelt und meine Wohnung durchsuchen möchte, kann ich mit den Worten "Aber zieht nachher bitte die Tür zu" gehen. Eine Ausnahme mag noch sein, wenn in dem entsprechenden Beschluss auch die Durchsuchung der Person angeordnet ist. Dann müsste ich das halt noch abwarten und könnte danach gehen.

Der zuständige Staatsanwalt sei am 27. Januar krankgeschrieben gewesen, sein Vertreter habe es zunächst abgelehnt, einen Haftbefehl auszustellen.

Nun, das mag jetzt wiederum an dem Jurastudium des Staatsanwaltes liegen. Vermutlich hat ihm da irgendjemand mal gesagt, dass nur ein Richter Haftbefehle ausstellen darf (§ 114 Abs. 1 StPO).

Auch davon gibt es eine Ausnahme, der sog. Vollstreckungshaftbefehl. Wenn jemand rechtskräftig verurteilt ist und auf eine "freundliche Einladung" zur Haft nicht reagiert, kann die Staatsanwaltschaft einen Vollstreckungshaftbefehl erlassen (§ 457 StPO). Das ist aber nun in dem vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Freilich kann ich nicht von jedem Jounalisten, schreibe er auch für die FAZ, vertiefte Jurakenntnisse erwarten. Wenn ich aber ausdrücklich Ermittlungspannen mit juristischem Hintergrund kritisiere, wäre ein wenig Fachkenntnis schon schön. Sonst kann ich nämlich auch Bild lesen.

Samstag, 14. Januar 2012

Spannende Zeiten

Neuer Telefon- & DSL-Anschluss.

Ein namhafter Telekommunikationskonzern teilt mir zum dritten Mal binnen zwei Wochen andere Zugangsdaten mit.

Das Schreiben endet mit dem Satz:
"Wir wünschen Ihnen nun viel Vergnügen und spannende Zeiten!"

Spannende Zeiten? Das war genau der Grund warum ich vom letzten Anbieter wegwollte!

Immerhin: Der Telefonbucheintrag nachdem ich in der örtlichen Takko-Filiale residierte ist gelöscht.

Dienstag, 3. Januar 2012

Selbstkritik im Januar

Das Gericht schreibt mir:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

es wird gebeten um Kenntnis.

[Kritzel]
Justizbeschäftige

Hmm, soll ich jetzt einfach die Anlage lesen, oder will mir das Gericht wenig subtil etwas anderes mitteilen?